Torfmoose – Sphagnum züchten

Auch wenn es auf den ersten Blick nicht unmittelbar so erscheinen mag, bilden Moore teils artenreiche Habitate durch ein hoch spezialisiertes Ökosystem. Durch hohe Wasserstände können abgestorbene Pflanzenteile nur schlecht verrotten und bilden unter dem entstehenden Luftabschluss über viele tausende Jahre hinweg mehrere Meter hohe Torfpolster. Der jährliche Torfzuwachs beträgt somit etwa einen Millimeter.
Betrachtet man das Moor im Querschnitt ergeben sich zwei typische Schichten. Die untere, stark wassergesättigte, sauerstoffarme Schicht bildet den Torferhaltungshorizont. Unter den Torfpolstern befinden sich zudem noch einige Schichten verschiedener Mudden. Diese untere Schicht bezeichnet man auch als Katotelm, deren enthaltenes Wasser ungefähr mit einer Geschwindigkeit von etwa einem Meter pro Tag durch die Torfschichten hindurch absickert.
Die oberliegende Schicht, das Akrotelm, ist vor allem durch eine unvollständige Wassersättigung gekennzeichnet. Die hydraulische Leitfähigkeit (also die Fähigkeit das Wasser in Richtung der Oberfläche zu ziehen) ist durch den starken Bewuchs an Torfmoosen, die einen großen Anteil an den Versauerungsprozessen im Moor haben, jedoch sehr hoch.

Grafik 1: Sphagnum Torfmoos im natürlichen Habitat
Grafik 1: Sphagnum Torfmoos im natürlichen Habitat

Torfmoose wachsen auf dieser oberliegenden Schicht und weisen in intakten Mooren eine hohe lokale genetische Diversität auf. Trotz dessen gibt es aktuell kaum noch geeignete Spenderbestände für wissenschaftliche Renaturierungszwecke. Über die Versauerungsprozesse hinaus wirken dichte Sphagnum-Polster durch eine Symbiose mit methanoxidierenden Bakterien dem (durch den hohen Wasserstand bedingten) Methan-Ausstoß im Moor entgegen, der in seiner klimabedingten Wirkung etwa 21fach höher anzusehen ist als das oftmals disktutierte CO2. [2] Durch ihren natürlich erhöhten Gehalt an Polyphenolen werden Torfmoosen außerdem teils antimikrobielle Wirkungen nachgesagt. [2]
Durch den extrem dichten Bewuchs an der Substratoberfläche, wird der Wärmeaustausch zwischen Luft und Wasser durch die Torfmoose extrem eingeschränkt. Folglich führt diese Situation vor allem in Hochmoorgebieten zu einem extremen Mikroklima mit Temperaturunterschieden bis um die 30 Grad Celsius zwischen Tag und Nacht. Die Wassertemperatur beträgt selbst an den wärmsten Sommertagen selten mehr als zehn Grad, selbst Nachtfröste sind nicht ungewöhnlich. Die Vegetationsperiode im Hochmoor ist aus diesem Grunde auch oft zwei bis drei Monate verkürzt.



Exkurs

Sicherlich bist du während deiner Recherche schon einmal auf die Aussage gestoßen, dass Torf als nachwachsender Rohstoff angesehen wird. Doch warum ist das so?
Laut SPRINGER besteht die weltweite Landfläche derzeit zu 3% aus Mooren, wovon sich etwa 90% im natürlichen, unentwässerten Zustand befinden. Da jährlich (weltweit) 1-2 Milliarden Kubikmeter Torf nachwachsen, jedoch nur etwa 100 Millionen Kubikmeter Torf entnommen werden, kann Torf auf die gesamte Welt betrachtet als nachwachsender Rohstoff angesehen werden. [3]

Grafik 2: Torfmoose bieten anderen Pflanzen die Lebensgrundlage
Grafik 2: Torfmoose bieten anderen Pflanzen die Lebensgrundlage (hier: Sonnentau – Drosera spec.)

Arten & Funktion

Anhand des Wuchstypus werden Torfmoose in zwei grundlegende Gruppen eingeteilt. Zu einem bilden Schlenkentorfmoose großflächige, flotierende Schwingdecken und benötigen einen gleichmäßig hohen Wasserstand. Die Wasserversorgung erfolgt vor allem durch Grundwasser und angrenzende Seen und Teiche (minerotraphent), an denen abgerissene Polsterstücke abtreiben und sich verbreiten. Andererseits bilden Bultentorfmoose oder Bulttorfmoose bis zu einem Meter hohe, dicht gewachsene Bulten (Erhebungen) die hauptsächlich durch den Regen gespeist werden (ombrotraphent). Bultentorfmoose bilden einen Schlüsselfaktor für ein intaktes Akrotelm, da sie zu einem eine optimale Wasserkapazität aufweisen und auf der anderen Seite eine Filterwirkung gegenüber (atmosphärisch) eingetragene Nährstoffe besteht.
So ist belegt, dass Torfmoose in der Lage sind vor allem Stickstoff (N), Kalium (K), Calcium (Ca) und Magnesium (Mg) vollständig aufzunehmen und für das eigene Wachstum zu nutzen. Nur ein geringer Teil gelangt in tiefere Substratschichten. Fehlen diese Moosarten, ist eine deutlich schnellere Mineralisierung der Moorflächen zu beobachten. [2]

Grafik 3: Schlenkentorfmoose (links) verbreiten sich vor allem über Gewässer
Grafik 3: Schlenkentorfmoose (links) verbreiten sich vor allem über Gewässer



Zucht

Für eine erfolgsversprechende Kultur von Torfmoosen bedarf es vor allem einer konstanten Wasserversorgung. Anstaubewässerung (Daueranstau oder Ebbe-Flut-Verfahren, Tröpfchen-Systeme) und/oder Überkopfbewässerung erzielen gute Ergebnisse, bei einem durchschnittlichen Wasserverbrauch von 20 Liter pro Quadratmeter und Woche (im Freiland) [2]. Kritische Wassergehalte in den Capitula (Köpfchen) unter 85%-80% führen anscheinend bereits zu einem Übergang in eine latente Ruhephase und wirken damit wachstumsbehindernd [2]. Mit dem Wachstum der Moosdecke steigt zwar die Entfernung zur Wasseroberfläche, andererseits verbessert sich durch den dichten, gedrungenen Wuchs zugleich die Kapillarität, sodass der Wasserspiegel nur selten nachjustiert oder zusätzlich „über Kopf“ bewässert werden muss. Ein positiver Nebeneffekt der Überkopfbewässerung ist jedoch das Auswaschen von Stoffen, die sich im Moos anreichern und unerwünschte negative Nebeneffekte hervorrufen können. Bei optimalen Kulturbedingungen können aus eigenen Erfahrungen artspezifische Wachstumsraten bis zu 20-30 cm pro Jahr erreicht werden.
Werden die die Polster (vor allem in Terrarien oder in Töpfen) zu groß, kann man die Köpfe einfach sauber mit einer Schere abtrennen und unter dem bereits genannten Verfahren weiterkultivieren.
Bei kleineren Mengen bietet es sich jedoch an, das geerntete Moos in einer Plastik- oder Saat-Schale mit mittlerem Wasserstand zu kultivieren.

Wasserqualität

Ausschlaggebend für den Erfolg der Kultur ist vor allem eine hohe Wasserqualität, weshalb auf kalkfreies Regenwasser oder destilliertes Wasser zurückgegriffen werden sollte. Allerdings scheint Sphagnum eine recht hohe Toleranz gegenüber Stickstoff aufzuweisen. Selbst erhöhte Phosphat-Werte (über 1 mg/L-1) fördern das Wachstum, sorgen auf der anderen Seite jedoch auch für einen erhöhten Algenbewuchs. Ebenfalls konnte beobachtet werden, dass trübes Wasser hemmend auf das Wachstum wirkt. [2]

Element Konzentration Einheit
Härte <3 °dH
EC <100 ɥS/cm
NO3 <3-4 mg/L-1
NH4 <1 mg/L-1
PO3 <=1-1,5 mg/L-1
Ca <15 mg/L-1

Tabelle: Empfohlene Höchstkonzentrationen für Gießwasser bei Kultur von Torfmoosen nach HÖLZEL et al. (2019)



Ausbringung

Die Ausbringung im Freiland erfolgt in Form von Streu oder als Sode. Durch ihren starken Randwuchs sind Soden vor allem zur Lückenfüllung geeignet, weisen aber durch den besseren Kontakt zum Boden (direkter Kontakt zur Folie oder geringe Torfschicht) auch gleich zu Beginn der Kultur eine deutlich bessere Wasserkapazität auf. Die Kultur in Schalen ist ebenfalls möglich. Zur Ausbringung in Streuform werden die Torfmoose in zwei bis acht Zentimeter große Stücke geteilt und bestenfalls in geeigneten Mischungen ausgebracht. Bei kleineren Teilstücken zeigte sich in Renaturierungsversuchen außer bei Sphagnum rubellum nur sehr schlechter Folgewuchs. Geschlossene Moosdecken ergeben sich nach 6-18 Monaten bereits bei Verwendung von etwa 30-60 Gramm Trockenmasse oder 1000 Gramm Frischmasse pro Quadratmeter bei einem Verhältnis von Frisch- zu Trockenmasse von 20:1. [2]
Da die Moosfragmente nach der Ausbringung nur eine sehr geringe Kapillarkraft aufweisen, sollten sie entsprechend leicht angedrückt werden. Ein zusätzlicher Schutz mit Stroh oder eine Abdeckung mit Vlies ist auch möglich.

Wissenschaft

Auch die Wissenschaft setzt sich intensiv mit Torfmoosen als möglichen Ausgangs- und Zuschlagsstoff für alternative Substrate ein. Das Torfwerk Moorkultur Ramsloh (Mokura) im Saterland, das Hankhauser Moor nahe Oldenburg und eine Fläche des Substrat-Produzenten Klasmann-Deilmann in Geeste sind nur einige Beispiele von Torfmooskulturflächen in Deutschland. In Kanada, den USA, Chile, Argentinien, Australien und Neuseeland existieren schon länger Versuche und Anlagen zur Torfmooskultivierung (bekannt unter „Sphagnum-Farming“, „Paludiculture“), allerdings werden in den genannten Ländern hauptsächlich natürlich bewachsene Flächen gerodet und anschließend meist keine Renaturierungsmaßnahmen eingeleitet, da man eine natürliche Regeneration er- bzw. abwartet.
Vor allem als Substratzuschlagsstoff haben sich Torfmoose durch ihre auflockernden und guten hydraulischen Eigenschaften bewährt. Um Torf jedoch vollständig zu ersetzen wären laut Berechnungen allein in Deutschland circa drei Millionen Kubikmeter Torfmoose nötig, die eine Anbaufläche von 30.000 Hektar beanspruchen würden. Das entspricht in etwa der gesamten genutzten Hochmoorfläche in Niedersachen.

Eigenschaften ausgewählter Torfmoos-Arten

Da weltweit etwa 300 Sphagnum Arten vorkommen, würde ein ausführlicher Ratgeber zur Wahl für die Kultur passender Arten für etwaige Kulturbedinungen an dieser Stelle den Rahmen sprengen.
Wir haben uns einige Torfmoos-Arten heraus gesucht und ihre Eigenschaften tabellarisch aufgelistet.

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Grafik: Übersicht der Eigenschaften ausgewählter Torfmoosarten (by Carniflor). Ein Klick auf die Abbildung ermöglicht die Ansicht in voller Größe.



Bezugsquellen

Die Zerstörung vieler Moore und damit auch der natürlichen Lebensräumer der meisten Torfmoos-Arten hat dazu geführt, dass viele Arten der Gattung Sphagnum bereits auf die Rote Liste gefährdeter Arten aufgenommen wurden. Auch in Deutschland ist ein Besammeln von Naturbeständen strafbar.
Mit dem Kauf verifizierter Ware von anerkannten Händlern unterstützt man also nicht nur die Gärtnereien und Wissenschaftler, die sich intensiv mit der Renaturierung von Moorflächen und der Kultur der Pflanzen beschäftigen, sondern ermöglicht ganz nebenbei auch ein ungestörtes Wachstum der sensiblen Lebensräume in denen viele Sphagnum-Arten vorkommen.

COX-NATURE (Italien) – große Auswahl sortenreiner Sphagnum-Arten: www.coxnature.com
Gartenbau Thomas Carow (Deutschland) – ausgewählte Sphagnum-Arten: www.falle.de/versandpreisliste.pdf
GREEN JAWS (Deutschland) – ausgewählte Sphagnum-Arten: www.green-jaws.com
FANGBLATT (Deutschland) – ausgewählte Sphagnum-Arten: www.fangblatt.de
Sphagnum-Shop (Deutschland) – Sphagnum aus kontrolliertem Anbau: www.sphagnum-shop.com
TERRA2GO (Deutschland) – ausgewählte Sphagnum-Arten: www.terra2go.de

Weitere Eigenschaften verschiedener Torfmoos-Arten

Sphagnum fallax (Trügerisches Torfmoos)

  • verbreitet, rel. leicht erhältlich
  • schnelle Zersetzung
  • nährstofftolerant

S. girgensohnii (Girgensohns Torfmoos)

  • verbreitet, rel. leicht erhältlich
  • schnelle Zerzetzung

S. magellanicum

  • großblättrig

S. papillosum (Warziges Torfmoos)

  • großblättrig
  • sehr tolerant gegenüber Wasserstandsschwankungen und Nährstoffeinträge

S. palustre (Sumpf-Torfmoos)

  • großblättrig
  • eher unbedeutend

S. imbricatum

  • nahezu ausgestorben
  • stark bultenbildend (bis 1 Meter über Wasserstand)

S. cuspidatum (Spieß-Torfmoos)

  • verbreitet, rel. leicht erhältlich
  • schnellwüchsig, sehr ausbreitungstüchtig
  • schnelle Zersetzung
  • hoher Wasserstand nötig
  • rel. nährstofftolerant

S. capillifolum (Hain-Torfmoos)

  • stark bultenbildend (bis 1 Meter über Wasserstand)
  • rel. geringe Toleranz gegenüber hohen Wasserständen

S. fuscum (Braunes Torfmoos)

  • stark bultenbildend (bis 1 Meter über Wasserstand)

S. rubellum (Rötliches Torfmoos)

  • geringe Toleranz gegenüber Wasserstress

S. medium (Mittleres Torfmoos)

  • rel. geringe Toleranz gegenüber hohen Wasserständen, rel. unempfindlich gegen Trockenheit
  • azidophil (wird durch saure Farbstoffe der Umgebung gefärbt)



Literatur- und Quellenangaben

[1] ANON. (2010): Moorschutz – Ein Beitrag zum Klima und Naturschutz. Standpunkt 3, 4/2010. BUND. S. 4. PDF-Ausgabe.
https://www.aktion-moorschutz.de/wp-content/uploads/BUND_Standpunkt_Moorschutz_2010.pdf [11.02.2020, 00:59].

[2] HÖLZEL, N., T. KLEINECKER, K. H. KNORR, P. RAABE, S. GRAMANN (2019) – Leitfaden zur Torfmoosvermehrung für Renaturierungszwecke. Deutsche Bundesstiftung Umwelt, Osnabrück.

[3] SPRINGER, P. (2013): Torfflächen nachhaltig nutzen – Zukunft: Peatfarming. GartenbauProfi, 8/13. S-48-50.

[4] SPRINGER, P. (2017): Sphagnum als Torfersatz. GartenbauProfi, 8/13. S-48-49.

[5] TEMSCH, E. M. (2004): Sphagnum. Website-Veröffentlichung, Universität Wien.
https://homepage.univie.ac.at/eva.temsch/grund.html [10.02.2020, 00:46].

[6] BERG, C. (1995): Moose Mecklenburg-Vorpommerns VII: Bestimmungshilfe zum Einarbeiten in die Gattung Sphagnum (Torfmoose). Natur und Naturschutz in Mecklenburg-Vorpommern 31:1995, PDF-Veröffentlichung.
https://www.researchgate.net/profile/Christian_Berg11/publication/309704486_Moose_Mecklenburg-Vorpommerns_VII_Bestimmungshilfe_zum_Einarbeiten_in_die_Gattung_Sphagnum_Torfmoose/links/582df6d108ae102f072db344/Moose-Mecklenburg-Vorpommerns-VII-Bestimmungshilfe-zum-Einarbeiten-in-die-Gattung-Sphagnum-Torfmoose.pdf

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