Pinguicula (Fettkraut) Substrate – Ein Leitfaden

Pinguicula Substrate (Fettkraut Substrate) – Ein Leitfaden

Trotz der relativ unkomplizierten Pflegeansprüche, gelten die Fettkräuter zu den am meisten unterschätzten Gattungen fleischfressender Pflanzen. Dabei weisen Pinguicula im Vergleich zu anderen Karnivoren einen recht geringen Lichtanspruch auf. Viele Arten reagieren darüber hinaus sogar ausgesprochen tolerant gegenüber kalkhaltigen Substraten und hartem Gießwasser.

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Abbildung: P. jaumavensis auf Kalkstein („Spaghetti-Stein“)

Grundsätzlich unterscheidet man bei den Fettkräutern zwischen zwei Gruppen: winterharte & nicht winterharte (temperierte & mexikanische) Fettkräuter. Nimmt man es ganz genau, unterscheiden sich diese Gruppen noch einmal in zwei Untergruppen: die kalktoleranten Arten, für deren Wachstum Kalk nicht unbedingt erforderlich ist, das Wachstum jedoch durch dessen Anwesenheit gefördert wird und die kalkerfordernden Fettkrautarten, für deren Wachstum ein Kalkangebot obligatorisch ist. In diesem Beitrag möchte ich dir einen Überblick über die verschiedenen Substrat-Typen für die genannten Gruppen verschaffen, mit denen ich bisher die besten Ergebnisse erzielt habe.

  1. Mexikanische (nicht winterharte) Pinguicula

Mexikanische Fettkrautarten zählen zu den einfachsten und tolerantesten Karnivoren überhaupt. Bedingt durch ihren natürlichen Ursprung, der größtenteils an hellen, aber absonnigen und teils von Wasser umspülten Kalkfelsen oder feuchten Bodenstellen zu finden ist, weisen sie neben einem (verglichen mit anderen Karnivoren) relativ geringen Lichtbedarf, auch eine hohe Toleranz gegenüber kalkhaltigen Substraten auf. Neben der herkömmlichen Topfkultur können Fettkräuter daher auch hervorragend auf Kalksteinen (zB.: Travertin, sogenannter Spaghettistein) kultiviert werden.

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Abbildung: Mexikanische Pinguicula mit einer Bandbreite verschiedener Farben und Formen.

Auch die Bewässerung mit kalkhaltigem Leitungswasser ist bei den meisten mexikanischen Arten längerfristig möglich. Die Intensität der Bewässerung hängt etwas vom Substrat und der Luftbewegung ab. Grundsätzlich sollten mexikanische Pinguicula allerdings leicht feucht gehalten werden. Nässe oder Anstau ist jedoch zu vermeiden. An den Naturstandorten wachsen die Pflanzen meist an Standorten, die stets eine leichte Feuchte aufweisen, aber niemals überfluten.

Da die Gruppe der mexikanischen Fettkräuter über die Wintermonate größtenteils in einer sukkulenten Phase überwintern, bei denen sich die Knospen mehr oder weniger stark in das Substrat zurückziehen, sollte das Substrat möglichst locker beschaffen sein.  Ein grobes, lockeres Substrat, das etwas Feuchtigkeit hält, aber gleichmäßig und relativ schnell wieder abtrocknet und dabei nicht zu stark verdichtet, ist optimal für mexikanische Fettkräuter geeignet. In den letzten Jahren haben ich viel mit Substraten experimentiert und möchte im Folgenden daher eine Mischung empfehlen, die mir sehr gute Erfolge brachte.



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P. debbertiana x jaumavensis in teil-mineralischen Substrat mit optimalen Eigenschaften.



Substrat für mexikanische Pinguicula: voll-mineralisches Substrat aus Lava, Bims, Perlite, Vermiculite, Quarz-Sand bis 1,25mm

Oftmals liest man von den wildesten Substratmischungen. Teilweise werden verschiedene Zuschläge wie Lehm, Nahrungsergänzungsmittel für Hühner und Muschelsplitt zu verwendet. Das ist in der Regel allerdings gar nicht notwendig.

Das Ziel der Substratmischung besteht darin, einen ausgewogenen Mix zwischen Luftgehalt und Wasserhaltekapazität zu erschaffen. Meine Empfehlung für ein Substrat für mexikanische Pinguicula besteht daher aus einer Basis-Mischung aus Lava & Bims (50:50), welcher anschließend noch Perlite, Vermiculite und kalkfreier Quarz-Sand (bis 1,25mm) beigemischt werden. Der Anteil an Perliten, Vermiculiten und Sand sollte behutsam nach Gefühl erfolgen. Das Endergebnis sollte eine ausgewogene Mischung der Bestandteile ergeben. Mit der Erhöhung des Sandanteils wird das Substrat etwas lockerer und feiner (gut für Nachzuchten und Jungpflanzen), trocknet allerdings auch deutlich schneller ab. Zudem fördert ein hoher Sandanteil teilweise auch Algenwachstum auf der Oberfläche. Für Stecklinge und Jungpflanzen eignet sich dieser Substrattyp ebenfalls sehr gut.

Alternativ lassen sich mexikanische Fettkräuter auch hervorragend auf Kalksteinen wie Travertin, sogenanntes Spaghettistein oder auf Lavasteinen kultivieren, was ihnen einen besonderen Reiz verleiht. Was es dabei zu beachten gibt, erkläre ich dir in meinem Beitrag zur Kultur von mexikanischen Fettkräutern auf Steinen.



  1. temperierte (winterharte) Pinguicula

Als temperierte Fettkraut-Arten bezeichnet man alle winterharten Pinguicula-Arten, die sich über die Wintermonate in eine unterirdische Art Zwiebel – das Hibernaculum – zurückziehen. Nur wenige (homophylle) Arten wie P. crystallina syn. P. hirtiflora treiben das ganze Jahr über Blätter aus und gelten als bedingt winterhart. Winterharte Arten lassen sich teils hervorragend im Moorbeet kultivieren, unterscheiden sich in Bezug auf das Substrat jedoch noch einmal in zwei verschiedene Untergruppen: kalktolerante und kalkerfordernde Pinguicula-Arten, die jeweils unterschiedliche Ansprüche an das Substrat aufweisen. Manche Arten und Hybriden wie Pinguicula vulgaris sind jedoch relativ tolerant und lassen sich in verschiedenen Substrattypen kultivieren.

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Abbildung: Hibernacula winterharter Pinguicula

Temperierte Fettkräuter bevorzugen schattige Bedingungen und lassen sich daher besonders gut für verschiedene Schattenstellen und Lücken im Moorbeet verwenden. Im Vergleich zu Ihren mexikanischen Verwandten gelten temperierte Pinguicula jedoch noch einmal als etwas lichtempfindlicher. Kleinere Schalen für den Tisch oder kleine Gefäße/Mini-Kübel für den Eingangsbereich oder die Terrasse sind für die Bepflanzung besonders geeignet und bieten einen ebenso schönen Hingucker an etwas schattigeren Orten.

Eine Gemeinsamkeit die nahezu alle temperierten Fettkräuter vereint, ist das Bedürfnis über die Ruhephase eine Kältephase zu durchleben, die etwa 3-5°C nicht übersteigt. Diese kann etwa (auch bei starkem Frost) im Moorbeet erfolgen, ist bei vielen Arten aber ebenso im Kalthaus möglich. Alternativ lassen sich die Hibernacula vieler Arten auch im Kühlschrank überwintern. Diese Kältephase ist für ein gesundes Wachstum zwingend erforderlich, weshalb eine Haltung in der Wohnung bei dieser Gruppe an Fettkräutern langfristig nicht möglich ist! Während dieser Kältephase sollten die Hibernacula/Substrate stets feucht gehalten werden. Dabei ist Staunässe zu vermeiden, um einen Befall mit verschiedenen pilzlichen Erregern vorzubeugen.

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Abbildung: Pinguicula grandiflora

Neben passenden Licht- und Temperaturbedingungen spielt das Substrat vor allem bei temperierten Fettkräutern eine entscheidende Rolle, da die Pflanzen bei falscher Kultur recht schnell zu Fäulnis neigen oder gar kalkhaltige Substrate erfordern und sich daher eher für separate Gefäße/Anlagen eignen. Denn einige Arten wie P. alpina oder P. vallisneriifolia verlieren ihre Wurzeln auch über den Winter nicht, wodurch bei ungünstigen Substratbedingungen verschiedene Pilzinfektionen über die Wurzeln eintreten können, in Folge derer die Pflanzen teils rapide schnell absterben. Diese schmerzhafte Erfahrung musste ich im Winter 2021/2022 leider auch selbst sammeln, nachdem uns über 100 adulte Knospen verschiedener temperierter Fettkraut-Arten auf Grund ungünstiger Witterungsbedingungen in Kombination mit mangelhafter Substratführung (Mischung, Feuchtegrad) verschimmelten.

Generell sollten Substrate für temperierte Pinguicula daher zwar eine gleichmäßige Feuchte garantieren, jedoch auch über einen ausreichenden Luftgehalt verfügen. Wie auch bei anderen Karnivoren bietet Torf hierbei die Basis. Verschiedene Zuschläge wie Sand, Perlit oder Vermiculit können dabei behilflich sein, die passenden Bedingungen einzustellen. Verschiedene andere Zuschlagsstoffe richten sich letztendlich nach den Erfordernissen der jeweiligen Arten.

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Kulturhybride aus den temperierten Arten P. fiorii und P. grandiflora ssp. rosea

a) kalkerfordernde Arten

Nur einige wenige temperierte Fettkraut-Arten benötigen für ein vitales Wachstum ausreichend hohe pH-Werte, die gewisse Kalkmengen im Substrat erfordern. Für die Kultur der meisten Arten ist dies zwar nicht obligatorisch, allerdings zeigt sich bei kalkhaltigen und leicht nährstoffhaltigen Substraten ein deutlich besseres Wachstum. Pinguicula vallisneriifolia und ihre Hybriden etwa, die in aufgekalkten Substraten kultiviert werden sollten, wachsen deutlich kräftiger und erreichen fast schon unglaubliche Blattgrößen! P. vulgaris wächst unter beiden Bedingungen gut und P. alpina bevorzugt eher kalkhaltige Substrate, wächst jedoch auch in säuerlichen Substraten gut.

Für eine kalkhaltige Mischung, bzw. einen erhöhten pH-Wert greift hierfür entweder auf handelsüblichen Dolomit-Splitt zurück, mit welchem man auf einen pH-Wert von 6-7 aufkalkt oder man nutzt Anteile an bereits aufgekalktem Substrat zur Vermischung mit üblichem Karnivoren-Substrat (je nach Nährstoffgehalt Zuschlag:Torf= 3:1 oder 2:1). Hierfür eignen sich verschiedene humose Anzuchterden wie TKS1, aber auch handelsübliche humose Kakteenerde. Der Mischung kann Anschließend noch etwa 10-15% feiner Sand (bis 1,25mm) und eventuell etwas Vermiculit und/oder Perlit (etwa 5-10%, bei Topfkultur) beigemischt werden. Auf zu grobe oder gar scharfkantige Zuschläge sollte jedoch erfahrungsgemäß bestenfalls verzichtet werden, um die empfindlichen Wurzeln nicht zu verletzen, die teilweise auch über die Wintermonate erhalten bleiben und eine häufige Eintrittsquelle für Pathogene bieten.

Abbildung: Pinguicula longifolia ssp. Reichenbachiana

Bei der Anmischung sollte man ebenfalls darauf achten, dass der Anteil an nährstoffhaltigem Substrat nicht zu groß ausfällt. Zwar äußert sich ein dezenter Nährstoffanteil in der Mischung positiv im Wachstum, allerdings handelt es sich immer noch um Karnivoren. Und diese sehen bekanntlich optisch am besten aus, wenn sie gut umsorgt, aber leicht hungrig sind. Bei der Vermischung aufgekalkter Substrate mit Torf wird sich der pH-Wert zwar im leicht sauren Bereich ansiedeln, erfahrungsgemäß zeigen sich die meisten Arten hier allerdings tolerant.

Mit der Verwendung handelsüblicher (nährstoffarmer) Topfsubstrate wie Kakteenerde haben ich bisher noch keine Erfahrungen sammeln können, weshalb ich diesbezüglich auch keine Empfehlungen oder Ratschläge vermitteln kann. Auch bei der Verwendung von reinem Vermiculit wird bei einigen Arten zum Teil von guten Erfahrungen berichtet. Ebenso wie bei mexikanischen Fettkräutern scheint es möglich, verschiedene andere kalkhaltige Zuschläge wie Lehm oder Muschelsplitt zu verwenden. Vor allem bei der Verwendung von Lehm sollte jedoch stets auf die Substratstruktur geachtet werden, damit das Substrat weiterhin genügend Luft enthält, um einen optimalen Wuchs zu gewährleisten und beim Abtrocknen nicht zu stark verklumpt.

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Abbildung: Pinguicula fiorii x grandiflora „rosea“



b) kalktolerante Arten

Die meisten temperieren Fettkrautarten wie P. grandiflora, sind jedoch ziemlich tolerant gegenüber dem Substrat (so lange keine oder nur sehr wenige Nährstoffe enthalten sind) und können hervorragend in Torf-Substraten gehalten werden, denen bei Bedarf lediglich etwas feiner Quarzsand (bis 1,25mm) und eventuell etwas Perlit (etwa 5-10%, bei Topfkultur) beigemischt wird. Da übliches Karnivoren-Substrat häufig noch etwas groberen, scharfkantigeren Kies enthält, empfehle ich die Mischung für temperierte Pinguicula generell nach Bedarf selbst vorzunehmen.

Ebenso kann ich bei etwas empfindlicheren Arten wie P. mundi oder P. fiorii in torfhaltigen (sauren) Substraten empfehlen, etwas (!) Sphagnum Torfmoos um die Pflanzen zu setzen, um sie durch die Verdunstungswirkung des Mooses etwas zu kühlen. Erfahrungsgemäß wachsen einige Pflanzen durch diesen kleinen Schutz über einige Jahre etwas vitaler und scheinen weniger Anfällig gegenüber großer Hitze oder leicht schwankenden Feuchtegraden. Allerdings sollte man beachten, nicht zu viel Torfmoos zu pflanzen, da die Pflanzen über die Zeit sonst manchmal in den schnellwüchsigen Moospolstern untergehen. Besonders an freien Stellen im Moorbeet, die etwas schattiger gelegen sind und vielen Pflanzen nicht unbedingt mehr die optimalen Wuchsbedingungen bieten würden, sind temperierte Arten eine hervorragende Ergänzung, an der man sich langjährig erfreuen kann.

Letztendlich ist es also vor der Kultur erforderlich, sich mit der Herkunft der spezifischen Arten und den jeweiligen Bedingungen am Naturstandort auseinanderzusetzen, bevor man sie für ein Projekt verplant – auch wenn viele Arten relativ tolerant gegenüber den Substraten zu sein scheinen. Einige wenige, aber dafür sehr informationsreiche Webseiten wie die Webpräsenz von Oliver Gluch (gluch.info) liefern hierfür die nötigen Informationen.
Nun bist du aber gefragt! Eine detaillierte Anleitung zur Umsetzung eines Projektes mit winterharten Fettkräutern findest du in unserem Beitrag zum Thema „Gefäß  mit winterharten Fettkräutern gestalten“.



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