Ein Karnivoren Scape gestalten – fleischfressende Pflanzen gestalterisch in Szene setzen
Gerade in der Wohnung ist die Topfkultur von fleischfressenden Pflanzen meist mit erhöhtem Platzbedarf und notwendigem technischen Aufwand verbunden. Die Präsentation der Pflanzen – ausgenommen der Terrarienkultur, die wir bereits in einem anderen Beitrag erläutert haben – rückt dabei oftmals eher in den Hintergrund.
Doch das mit etwas Kreativität auch an relativ kleinen Plätzen in der Wohnung wirkliche Hingucker geschaffen werden können, beweisen auf verschiedenen Social-Media Plattformen bereits zahlreiche Bilder von heimisch angelegten Minimooren, sogenannten „Karnivoren Scapes“. Diese Idee, die ihren Ursprung im sogenannten „Aqua Scaping“ findet, bietet vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten, etwa auf bestimmte Regionen oder Pflanzengruppen bezogene Themenprojekte oder einfachere Mischprojekte.
In diesem Beitrag wollen wir euch anhand südamerikanischer Sonnentauarten, sowie einigen Begleitpflanzen beispielhaft erklären, wie man ein solches Projekt realisieren könnte.
Gefäßwahl
Ein passendes Gefäß bildet die Grundlage für die spätere Gestaltung. Für dieses Projekt fiel die Wahl zunächst auf spezielle Glasbehälter aus dem Aqua-Scaping-Bereich. Diese bestehen meist aus speziellem Weißglas, welches durch einen geringeren Eisenanteil bei der Herstellung nicht den typischen grünstich aufweist und somit vor allem bei hohen Anteilen von Klarwasser eine natürlichere, relativ unverfälschte Sicht bietet. Neben der hochwertigen Verarbeitung, weisen solche Modelle meist auch spezielle Verklebungen mit transparentem Silikon auf. Doch da sich diese Eigenschaften bei vielen Modellen auch deutlich im Preis wiederspiegeln, lohnt es sich unter Umständen, ein spezifisches Gefäß mit ähnlichen bei einem Terrarienbauer aus der Region anfertigen zu lassen. So entschieden wir uns einige Abstriche zuzulassen und für dieses Projekt ein Gefäß mit den Maßen 45x25x15 cm anfertigen zu lassen, welches uns lediglich 25€ kosten sollte.
Nachdem das Terrarium nach der Abholung/Lieferung einmal komplett mit Wasser befüllt und auf Dichtheit überprüft wurde, können die nötigen Materialien organisiert und das Projekt begonnen werden.
Substrat & Befüllung
Wir beginnen mit der Befüllung des Substrates. Für Karnivoren eignet sich, wie auch bei der Topfkultur, reiner, unaufgekalkter und unaufgedüngter Weißtorf (Hochmoortorf). Dieser sollte bei der Befüllung bereits etwas stärker mit Wasser gesättigt sein (als bei der Topfkultur), damit das Substrat später nicht so stark sackt und an potentiellen Uferstellen zum Wasser nicht ausschlämmt. Wie auch bei der Topfkultur sollte jedoch darauf geachtet werden, dass man das Substrat nicht übersättigt und nicht zu stark andrückt, damit genügend Luft für eine gesunde Wurzelentwicklung enthalten bleibt.
Die Formung des Substrates kann nach Belieben vorgenommen werden. Bereits jetzt sollte man jedoch die spätere Sichtachse bedenken.
Erste Gestaltungsmaßnahmen
Wenn man mit der groben Platzaufteilung vorerst zufrieden ist, sollten nun zunächst die größten Gestaltungselemente eingebracht werden. Wir haben uns für einige Moorwurzeln aus dem Aquaristikbedarf entschieden. Neben Moorwurzeln eignen sich auch Rindenstücke, Zweige, Äste, Lavasteine (und ähnliche kalkfreie Gesteine) und ähnliche Naturmaterialien. Künstliche Dekoelemente können natürlich auch verwendet werden, wenn man Gefallen daran findet. Sind diese platziert, kann das restliche Substrat aufgefüllt werden. Somit hat man bei der Substratformung nicht nur einen besseren Eindruck von der späteren Wirkung, sondern verleiht den Dekoelementen zusätzlich stabilisierenden Halt.
Falls man sich für einen Freiwasseranteil im Becken entschieden hat, müssen die Uferbereiche sowie der Muldenboden nun ausreichend stark mit kalkfreiem Quarzsand ausgekleidet werden, um ein späteres Ausschwemmen des Torfes zu verhindern. Dabei sollte man möglichst nicht zu sparsam vorgehen. Allerdings genügt es, zunächst einen Teil des Sandes aufzufüllen und den Rest am Ende der Bepflanzung, bzw. vor der abschließenden Bewässerung nachzufüllen. Um der recht trist wirkenden Sandfläche noch etwas mehr Natürlichkeit zu verleihen, kann die Oberfläche abschließend noch mit verschiedenen Korngrößen von Kies verziert werden. Auch hier sollte allerdings auf die Kalkfreiheit des Materials geachtet werden.
Möchte man Moose zur Dekoration verwenden, sollte man lediglich auf Torfmoose (Sphagnum spec.) zurückgreifen. Andere Moosarten vertragen sich mit Karnivoren meist nicht. Zusätzlich verdichten sie die Substratoberfläche meist auch noch so stark, dass kaum noch ein Luftaustausch möglich ist, weshalb man aus diesem Grunde wirklich darauf verzichten sollte, solche Arten mit fleischfressenden Pflanzen zu kombinieren.
Die Beleuchtung
Bevor wir mit der Bepflanzung beginnen, sollten wir nun die Beleuchtung installieren. Wir haben uns für die Chihiros CII* entschieden, da diese bei 20 Watt Leistungsaufnahme etwa 1600 Lumen leistet und mit diesen Werten auch bei vielen Sonnentauarten sehr gute Ergebnisse erzielt, wie wir auf einigen Socialmedia-Kanälen verschiedener Aqua-Scaper beobachten konnten. Darüber hinaus verfügt dieses Modell über einen eingebauten Bluetooth-Controller, welcher eine Zeitschalt- und Dimmfunktion enthält und per App gesteuert werden kann. Eine zusätzliche Zeitschaltuhr wird somit obsolet und durch die manuell programmierbare Dimmung, lässt sich die Lichtintensität über den Tagesverlauf genau justieren. Zweiteres ist für eine erfolgreiche Kultur zwar nicht notwendig, für das menschliche Auge vor allem im Wohnbereich jedoch sehr angenehm. Die Installation der Chihiros C2* erfolgt recht simpel. Die mitgelieferte Halterung wird an einer gewünschten Stelle des Glasgefäßes angesetzt und mit dem mitgelieferten Imbus am Glas justiert. Anschließend schraubt man den Schaft in die Halterung der Lampe, auf welchen der Gummi-Halterungsring aufgeschoben wird. Der Halterungsring dient somit zu einem der Stabilisierung und bietet auf der anderen Seite die Möglichkeit der Höhenverstellung der Leuchte. Abschließend kann man das System an die Steckdose anschließen und optional die App auf dem Mobiltelefon installieren, so fern man die Steuerungsmöglichkeiten nutzen will. Für die Einrichtung wird dann eine stabile Bluetooth-Verbindung benötigt, die nach Ende des Setups wieder unterbrochen werden kann, ohne das die Funktionsfähigkeit der getätigten Einstellungen beeinträchtigt wird.
Je nach Belieben und Projektbudget kann man natürlich auch andere Modelle wählen, die ein für die Pflanzenkultur entsprechendes Spektrum aufweisen und über eine ausreichende Lichtintensität verfügen. Wenn du dich mit der Beleuchtung von Pflanzen noch nicht besonders gut auskennst, empfehlen wir an dieser Stelle unsere Beiträge zu den Grundlagen der Belichtung von Pflanzen Part 1 und Part 2.
Die Bepflanzung
Für die Bepflanzung werden für dieses Projekt vor allem südamerikanische Sonnentauarten wie Drosera graomogolensis, D. latifolia, D. riparia und D. camporupestris verwendet, da diese eine ganzjährig warme Kultur bevorzugen und somit perfekt für die Haltung in der Wohnung geeignet sind. Auch einige zentralamerikanischen Fettkräuter wie Pinguicula primuliflora oder P. planifolia würden sich für ein solches Projekt eignen, kommen aber diesmal nicht zum Einsatz. Falls du noch recht wenige Berührungspunkte mit den Karnivoren hast und bei der Auswahl der Gattungen und Arten unsicher bist, empfehlen wir unseren Beitrag zum Thema Grundlagen der Pflege von fleischfressenden Pflanzen. Hinzu kommen natürlich auch noch einige Begleitpflanzen. Von den Karnivoren sind es lediglich zwei Arten aus der Gattung der Wasserschläuche (Utriculariaceae), nämlich Utricularia pubescens und Utricularia graminifolia, die in unserem Becken einziehen werden. Die restlichen Begleitpflanzen können recht wahllos nach Geschmack ausgewählt werden, wobei bei der Auswahl jedoch darauf geachtet werden sollte, dass die Pflanzen das saure und nährstoffarme Substrat möglichst vertragen. Da die Angaben hierzu nicht immer sehr eindeutig sind, ist es natürlich auch Ratsam einige Inspirationen und Erfahrungen von bestehenden Projekten und Scapern einzuholen. Ein großer Dank gilt an dieser Stelle Stefan (@estebalius_plantedscapes), der bei diesem Projekt in Sachen Wahl der Begleitpflanzen und der Belichtung eine große Hilfe war!
Trotzdem gilt es bei manchen Pflanzen einfach zu experimentieren, zu schauen was sich etabliert und Fehler zu korrigieren. Auch wenn diese Herangehensweise sicher zunächst auch mit einigen Verlusten einhergeht, so trägt sie jedoch ungemein dazu bei, ein Gefühl für die Pflanzen und deren Bedürfnisse zu entwickeln und nicht ausschließlich aus der Theorie zu lernen.
Als weitere Begleitpflanzen dürfen daher zunächst Eleocharis spec. „mini“, Lilaeopsis macleviana, Eriocaulum cinereum, und Micranthemum tweediei „Montecarlo 3“ einziehen.
Bewässerung & Setzungsphase
Nun ist es auch schon an der Zeit, das Wasser einzulassen. Dieses sollte jedoch vorsichtig und behutsam über verschiedene Stellen auf der Substratoberfläche eingelassen werden. Zu einem hat dies den Vorteil, dass sich das Substrat bereits leicht setzt, zu anderem wird so die Gefahr verringert, den Sand stellenweise auszuspülen, da das Wasser auf natürliche Weise sachte an den Seitenwänden hinaus sickert. Selbstverständlich sollte man wie auch bei der Topfkultur hierbei auf destilliertes Wasser, Regenwasser oder Wasser aus der Umkehrosmoseanlage zurückgreifen (kalkfreies und nährstofffreies Wasser). An dieser Stelle möchten wir auch einmal unseren Beitrag zu den Möglichkeiten zur Bewässerung von Karnivoren bei Wasserknappheit (im Sommer) verweisen.
Über die Wassertrübung braucht man sich (vor allem kurz nach Anlage) nicht zu sorgen. Diese entsteht durch die im Torf enthaltenen Huminstoffe und für das pflanzliche Wachstum absolut unbedenklich. Mit der Zeit wird die Trübung noch abnehmen. Der Besatz mit Wasserpflanzen ober- oder unterhalb der Wasseroberfläche kann der Trübung gegebenenfalls auch entgegenwirken.
Nachdem wir das ganze Arrangement ordentlich angewässert und unseren gewünschten Wasserstand erreicht haben, müssen wir das Ganze erst einmal einige Wochen setzen und einwachsen lassen. In dieser Zeit, in der sich bereits die ersten Erfolge und Misserfolge zeigen, sollte das Gefäß möglichst lediglich gewässert werden. Einige Feinschliffe zum Abschluss des Projektes können nun natürlich noch vorgenommen werden. Auf größere Eingriffe sollte man nun allerdings zunächst verzichten.
Feinarbeiten & Abschluss
Da die vordere Front vor allem im Uferbereich durch den Sand noch sehr karg wirkt, gilt es, an diesen Stellen noch einmal nachzubessern. Dafür haben wir eine weitere Moorwurzel, sowie Rindenstücke und einige Bruchstücke von Lavasteinen besorgt. Neue Pflanzen sollen nun lediglich in der Form von besonders flachen Bodendeckern ergänzt werden. Die Wahl fiel daher erst einmal auf Elatine hydropiper und Hydrocotyle tripartita. Da uns die Vorlieben dieser Arten zum Zeitpunkt der Anlage jedoch noch nicht sonderlich bekannt sind, müssen wir auch bei diesen Pflanzen schauen, wie sie sich in den kommenden Wochen entwickeln und in wie fern sie mit den sauren, nährstoffarmen Bedingungen zurechtkommen. Um den moorigen Charakter zu unterstützen, soll die Wasseroberfläche nun abschließend auch noch von einigen Wasserlinsen (Lemna aff. minor) besiedelt werden.
Einwuchsphase
Nun ist unser Projekt auch schon vorerst fertiggestellt. Natürlich kann man mit der Zeit noch einige Pflanzen nach Belieben ergänzen oder gar austauschen, allerdings sollte das ganze Arrangement nun zunächst einige Wochen einwachsen. In dieser Zeit beginnt sich nun auch das Substrat etwas zu setzen und auch die Wasserfärbung wird mit der Zeit etwas abnehmen.
Wenn einige der Begleitpflanzen zunächst teilweise verbräunen, braucht man sich nicht zu sorgen. Da diese aus steriler In Vitro Kultur stammen und dadurch auch lediglich eine höhere Luftfeuchtigkeit gewohnt sind, müssen die Pflanzen sich über die nächste Zeit erst einmal an die neuen Bedingungen gewöhnen. In sofern also genügend Grünmasse verbleibt, sollte man die Pflanzen mit der Zeit normal ausputzen und ihnen auf diesem Wege wieder frischen Glanz verleihen.
Fertiges Projekt, Zusammenfassung von Materialien und Kosten
Nun sind wir bereits am Ende des Projektes angelangt. Mit der Zeit wird sich zeigen, wie sich das ganze Projekt entwickelt, welche Pflanzen sich schneller vermehren, welche langsamer und an welchen Stellen man noch mit Feinarbeiten nachjustieren kann. Gerade diese kleinen Experimente mit unbekannteren Pflanzen verleihen dem ganzen Vorhaben nochmal eine ganz eigene Spannung.
Nun bist du an der Reihe! Gestalte dein persönliches Karnivoren Scape und markiere uns auf Instagram! Wir würden uns darüber freuen!
Abschließend haben wir dir noch einmal eine Liste mit den einzelnen Komponenten und den ungefähren Preisen zum Zeitpunkt der Anlage des Projektes zusammengestellt, damit du vor dem Start auch den finanziellen Aspekt noch einmal abschätzen kannst.
Gefäß, Beleuchtung und Deko ~ 200,00€
Aquarium Sonderanfertigung (45x25x15cm) – 25,00€
Beleuchtung Chihiros CII – 120,00€
Substrat (Weißtorf) – 5,00€
Moorwurzeln (gesamt) – 40,00€
Rinde – 5,00€
Lavasteine – 5,00€
Bepflanzung ~ 127,50€
Drosera graomogolensis – 25€
Drosera latifolia – 25€
Drosera riparia – 10€
Drosera camporupestris – 13€
Utricularia graminifolia – 7,00€
Utricularia pubescens – 7,00€
Eleocharis spec. „mini“ – 5,00€
Lilaeopsis macleviana – 7,00€
Eriocaulum cinereum – 5,00€
Micranthemum tweediei „Montecarlo 3“ – 7,00€
Elatine hydropiper – 7,00€
Hydrocotyle tripartita – 7,00€
Lemna aff. minor – 2,50€
GESAMT ~~ 330€
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Literatur und Quellenverweise
Carow, T., Fürst, R. (1992): Fleischfressende Pflanzen – Artenübersicht, Kultur, Vermehrung. 3. Auflage. Verlag Thomas Carow, Nüdlingen.
Hereth, Robert (?): Glasarten. Website-Artikel.
https://glasperfekt.de/wir-liefern/glasarten [26.12.2021]
Instagram-Nutzer @estebalius_plantedscapes
https://www.instagram.com/estebalius_plantedscapes/ [26.12.2021]
Schulz, Bruno (1965): Fleischfressende Pflanzen. A. Ziemsen Verlag, Lutherstadt Wittenberg.
Slack, Adrian (1985): Karnivoren – Biologie und Kultur der insektenfangenden Pflanzen. Verlag Eugen Ulmer.